Wie gefährlich ist es, einen
Giftpilz anzufassen
Bei den meisten Giftpilzen ist es
ungefährlich, sie anzufassen. Wenn überhaupt, gelangen nur winzige Mengen
des Giftes an Ihre Finger. Selbst wenn Sie danach den Finger in den Mund
stecken, genügt diese Giftmenge nicht, um Vergiftungen auszulösen.
Anders sieht das bei den tödlich giftigen
Arten aus (z. B. Knollenblätterpilze und Rauköpfe). Von deren Giften
genügen 6 mg für eine tödliche Dosis. Man kann zwar davon ausgehen, dass
bei einer Berührung mit einem dieser Pilze bei Weitem nicht diese Menge
Gift auf die Haut übertragen wird, doch wissen wir nicht, welche
Beschwerden oder gar Organschädigungen geringere Mengen dieser Gifte
auslösen können.
Es ist also durchaus nicht unklug, nach dem
Anfassen unbekannter Pilze den Finger nicht in den Mund zu stecken und bei
nächster Gelegenheit ordentlich die Hände zu waschen.
Ergänzung, Dez. 2006:
Die obenstehende Aussage von mir wurde in
letzter Zeit, bisweilen öffentlich, diskutiert und teilweise stark
kritisiert. So hieß es zum Beispiel, meine Ausführung sei stark
übertrieben, es mache überhaupt nichts aus, wenn man Giftpilze nur
anfasst, und man könne selbst ein Stück des Grünen Knollenblätterpilzes in
den Mund nehmen, da passiere gar nichts, solange man es wieder ausspuckt.
Dazu werde ich hier nun Stellung nehmen:
Bleiben wir ruhig beim Beispiel des Grünen
Knollenblätterpilzes. Dieser enthält an Giftstoffen hauptsächlich
Amatoxine und Phallotoxine. Eine Dosis von ungefähr 6 mg dieser Gifte
wirkt auf Menschen tödlich. Diese Menge von 6 mg befindet sich
durchschnittlich in einer Frischmenge von 70 g Fruchtfleisch. Das
entspricht in etwa einem einzelnen Fruchtkörper des Grünen
Knollenblätterpilzes. Ich fasse zusammen: Der Verzehr eines ganzen
Fruchtkörpers des Grünen Knollenblätterpilzes führt mit großer
Wahrscheinlichkeit zum Tode, der Verzehr eines kleinen Stückchens dagegen
führt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zum Tode.
Kann ich nun davon ausgehen, dass, wenn ich
weniger als die tödlichen 6 mg Gift zu mir nehme, die Sache völlig
folgenlos für mich bleibt? Was, wenn ich 3 mg Gift, also einen halben
Fruchtkörper, aufnehme? Was, wenn ich nur einmal abbeiße (1 mg) oder den
Fruchtkörper zerschneide und untersuche, wobei das Gift auf meine Finger
gelangt (0,1 mg) und ich danach womöglich meinen Finger in den Mund
stecke? Wenn ein Gift in einer Dosis von 6 mg tödlich wirkt, welche
Wirkung haben dann geringere Mengen dieses Giftes? Wir wissen es nicht
sicher, doch klingt es durchaus nicht unsinnig, dass sie Organschädigungen
oder zumindest leichte Vergiftungserscheinungen auslösen könnten.
Amatoxine und Phallotoxine werden schließlich nicht im Körper abgebaut,
sondern verbleiben im Blutkreislauf und passieren immer wieder die Leber.
Ich wage nicht, mich auf ein Podest zu stellen und vollmundig zu
postulieren, dass dabei „gar nichts“ geschieht.
Natürlich wäre es übertrieben, nach der bloßen
Berührung der Hutoberfläche eines Knollis gleich Silibinin zu schlucken.
Auf die Weise gelangt sicher keine erwähnenswerte Giftmenge auf die Haut,
so dass selbst das Händewaschen danach nicht nötig wäre. Aber der
interessierte Laie tippt ja in der Regel nicht nur auf den Hut eines
Pilzes, sondern nimmt ihn für gewöhnlich auch in die Hand, schneidet ihn
durch usw. Ich behaupte nicht, dass auf diese Weise mit Sicherheit eine
auch nur ansatzweise wirksame Giftmenge auf die Haut gelangt, aber ich
ziehe die Möglichkeit in Betracht.
Zum Schluss möchte ich noch kurz auf den
Kommentar eingehen, der das In-den-Mund-nehmen eines
Knollenblätterpilzstückes verharmlost: Wenn diese Behauptung von einem
Pilzsachverständigen kommen sollte, bin ich der Meinung, dass ihm die
Prüfung nachträglich aberkannt werden und er seinen Schein abgeben müsste,
denn so etwas ist Verführung zum leichtsinnigen Umgang mit Giftpilzen, was
absolut unseriös ist.
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